blanka beirut: gedanken,ideen, wortgestecke und satzbrechungen zum tage aus libanesisch deutscher schriftstellerinnensicht

Sonntag, 5. Juni 2011

Europaglocke und Sesambeine / Juni/ / junio/ 20/ aschrien

..flicke heiter den Zaun

und auch die Glocke am Tor

(Mascha Kaléko)

Blanka Beirut hat Sesambeine. Im Daumen. Jedenfalls meint das der Arzt und zeigt auf das Röntgenbild und findet das nicht so schlimm. Lieber hätte Blanka zwar Kreuzkümmelbeine, aber Empörung ist ja hier fehl am Platz. Die muss man sich ja heute aufsparen für Wichtiges.

„Nicht schon wieder von Krieg sprechen“, stöhnt der gestreifte Nachbar, der den blonden Pudel zur Adoption frei gegeben hat. Nein nein, Blanka hat heute gute Nachrichten. Die Muslimbrüder in Kairo haben eine Partei, in der der stellvertretende Vorsitzende ein Kopte ist. „Die? Unmöglich“, japst der gestreifte Nachbar und probiert seine neue Fensterputztechnik aus. Doch doch. Diese Muslimbrüder haben eine Glocke am Tor. Und machen sogar auf. Lassen Christen rein in ihr Parteiland. Nicht wie die Europäer. Die flicken nur heiter den Zaun, in einer Tour, und in noch einer, damit die Afrikaner bei den Wölfen bleiben. Und die Glocke wird auch nicht geflickt. Oder vielleicht ist Europa taub? Es ist zum Weinen. Sollen sie sich doch ein Beispiel an den Muslimbrüdern und ihrer Glocke nehmen. „Ha, ich wusste doch, dass es gleich wieder ernst wird, wenn Sie vorbeikommen!“, sagt der gestreifte Nachbar. Blödsinn! Als ob Blanka ernst ist. Was kann sie denn dazu, dass Europa keine Glocke hört und deshalb das Tor auch nicht aufmacht? Dass Europa Humanität, wenn dann nur im eigenen Heim übt, wie Blockflöte. Da muss man sich doch empören! Gegen Blankas Fenster weht ein Zeitungshut und wird vom Wind gerissen. Die Sonne, tausendfach vermehrt auf Kühlerhauben schwimmt, wie Leuchtfische. Das will Blanka aus der Nähe sehen und sich von Gleichgültigkeitsnachbarzunge erholen. Sie läuft über den Asphalt, lässt der Linde Schnee in die Handtasche zur Freude des Nymphensittich, der ein bucklig Verb zu Besuch hat. Dieses beugt sich klammheimlich in Richtung Blanka, die versucht die Menschenrechte mit Wacholder in einen Satz zu bringen. Der gestreifte Nachbar schaut noch immer dösig aus dem Fenster. Die Zeiten ändern sich eben. Und wer will schon im Sommer... Wacholder...

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