blanka beirut: gedanken,ideen, wortgestecke und satzbrechungen zum tage aus libanesisch deutscher schriftstellerinnensicht

Samstag, 28. Januar 2012

Von Regen und singenden Brauen

Wörtmüsikler - Wortklavier und Tagebuchstaben vom Bosporus 2 - Kolumne 46 von Blanka Beirut

In einem verschlossenen Zimmer
standen seit Jahren
ein Tisch und ein Stuhl
und sagten nie etwas zueinander
...
Franz Hohler

Der Winterwind rumpelt üngemütlüc in der Straße herum. Und treibt Schnee und Abfälle als gemeinsames Gestöber an Blanka Beiruts Fenster vorbei. Aber in der Wohnung ist alles still. Bis auf Tisch und Stuhl, die mit dem Heizer reden auf fünf und auf zwö. Aber wer soll das schon verstehen? Nur Piano kann das. Und will auch: Wörte und Töne und allerlei. Blanka knackt Tritonüsse von Poulenc, aber dann schreibt die Stille Bücher, und das ist praktisch.
Der Nymphensittich sagt Hatschi und Schnupfen, wegen der Wand, die nicht nur 7 Tränen weint. Feucht ist sie und zieht dem Nymphensittich die Federnschuhe aus. Blanka reißt deshalb die Tür nochmal auf geht Vitamin Zeh einkaufen. Im Regen besucht sie die Hunde vom Turm. Der eine liegt unter einer Markise. Neben dem Kebabstand. Und kaut Knochenabfall.
Dann arbeitet Blanka ihre Gehspur unabsichtlich in das Fangnetz aus Sträßlein und Hochs und Runters ein, das zwischen Supermarkt und Turm gespannt ist. Blanka hört den Nymphensittich im Geiste schimpfen: Das kommt davon wenn man in der Türkei französisch einkaufen will. Kiöske gäbe es an jeder Ecke. Zum Beispiel den, vor den ein Altwarenhändler gerade ein kleines fliederfarbenes Jugendstilsofa stellt. Daneben sitzt ein alter Mann auf einem Holzstuhl, der tief versunken kleine warme Girlanden in die Luft singt. Begleitet vom Auf und Ab seiner grauen Brauen. Blanka gibt auf sich zurecht zu finden und setzt sich auf das feuchte Sofa und hört zu. Ach, das unterscheidet den Winter in Istanbul so gümütlic vom kölschen!

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