blanka beirut: gedanken,ideen, wortgestecke und satzbrechungen zum tage aus libanesisch deutscher schriftstellerinnensicht

Sonntag, 4. März 2012

angeknabberte Wolken, Wogelesieg

Vogel und Wolke

Onkel Vogelfänger!
Wir haben Vögel
Und auch einem Baum.
Gib uns nur etwas Wolke
Für einen Zehner.

(Orhan Veli)

Der Himmel ist heute eine Stunde lang grün und grau wie Kinderrotze. Trotzdem hat der Nymphensittich Wolken angeknabbert. Und Teile davon auch noch in Blanka Beiruts Handtasche versteckt. Deshalb ist diese nass, und über ihnen regnet der Regen, yağmur yağıyor! Und es schneit. Ach nein, der Schnee regnet doch auch. Zumindest auf Türkisch. Und überall in Istanbul. Auch in die Sprachschule hinein, wo Blanka Beirut den Bären namens Ayı wiedertrifft. Der tobt dort. Ehedrama auf Türkisch und schon fallen Kurse ins Regen- und Schneewasser. Zumindest in der Rede und vorübergehend.

Aber Blanka fällt mit und erkältet sich. Mit Schnupfen, Halsweh und einer Mitschülerin setzt sie sich ins Nachbarschaftslokal, das aber gerade dabei ist, zu schließen. Nichtsdestotrotz wird extra für sie noch ein Tee zubereitet. Als sie bezahlen wollen, winkt der Wirt ab. Wozu denn auch? He's a doll, behauptet die Klassenraumfreundin daraufhin und verdoppelt ihr Grinsen.

Auch in die Ausstellung am Abend regnet es, und zwar große walwuchtige Glastropfen und kleine. Zu einem Vorhang aneinandergeknüpft auf dem Filzboden liegen sie, geköpfte Glasblasen, Frucht entwichen. Einer muss Onkel Vogelfänger entstiegen sein, denn der steht plötzlich da und will seine Wolkenstücke wiederhaben. Doch der Nymphensittich tauscht schnell die richtigen Konsonanten, und nun ziehen statt Wolke und Vogel blasse Wogele und Volk durch das Glasblasenkunstgemenge. Da muss Onkel Vogelfänger passen, denn Onkel Volk liebt seine Tiere.

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