blanka beirut: gedanken,ideen, wortgestecke und satzbrechungen zum tage aus libanesisch deutscher schriftstellerinnensicht

Sonntag, 27. Mai 2012

Habibiklößchen und Bohnenrestaurierung



Nachmittags vergesse ich jedweden Krieg
Nachmittags mahle ich den Kaffee
Nachmittags setze ich den zermahlenen Kaffee
Rückwärts zusammen schöne
schwarze Bohnen

Sarah Kirsch

Das Weltwetter ist schön, kein Wunder, denn die Welt singt neben Foltergefängnissen. Singt die Folter weg. Behauptet die Welt jedenfalls. Und zur Feier der Tage stöckeln Damen meterhoch im neuen Hurenlook vor Riesenbildschirmen auf den Straßen Kölns und der Welt auf und ab. Die Sonne verschüttet Wärme, ja, und der gemahlene Kaffee wird wieder restauriert. Alles zur Feier der Tage. Blanka Beirut, deren Sittichsänger nach Baku aufgebrochen ist, schmuggelt sich ungeachtet der Dress- und Drinkcodes in die Glotzmenge. Stunde um Stunde verfolgt sie den rätselhaften Struppipisingsang, verpasst aber jeden Einsatz für nationalen Jubel, weil sie so sehr und vergeblich nach dem Vogelgesellen Ausschau hält. Voll Sorge zieht sich Blanka in eine Klause aus Buchstaben und Sätzen und Nachrichten zurück, um sich ein Bild von der Lage zu schreiben. Doch außer Foltergesang gibt es nur noch die Stimme des Deutschtümian mit dem Sprach- und Denkfehler. Der Sarafin nuschelt von Rasse und Fukunft und Fuvielen. Es geben ihm zwar nicht alle Recht, aber alle geben ihm Toberaum und Sprechzeit als Therapie. Sonderpädagogische Maßnahmen. Förderbedarf Sprache. Förderbedarf Lernen. Blanka meint: Zahnarzt. Aber das falsche Marzipan zwischen seinen Zähnen wächst immer nach und deshalb bleibt die Fukunft gefährdet. Aber nein Blanka, so einer ist doch nicht von Belang. Blanka Beirut glaubt das nicht und steckt sich Habibiklößchen in den Hals. Genau in dem Moment klopft ein irritierter Schnabel gegen das Fenster. Der Graue Habibi ist wieder da. Erschöpft von Schmach und falschen Weltwundern sinkt er in Blankas Handtaschenfreiheit.

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