ayam, tagebuchstaben

blanka beirut: gedanken,ideen, wortgestecke und satzbrechungen zum tage aus libanesisch deutscher schriftstellerinnensicht

Sonntag, 4. November 2012

Fragen # 01

diese eine Urnen-Unruhe im Wald Eulen halten sich versteckt Vögel klettern auf die Bäume Mäuse laufen unters Laub ( Eva Wal ) .......................................................................................................................................................................... Was flüstert da die Zwiebel melodisch mit dem Knoblauch in der Pfannen? Eins, zwei, drei und du bist frei. Wie bitte? fragt Blanka Beirut mit Herbstgold im Gesicht. Was hatte der Tod noch mal mit der Freiheit zu tun? Die Hisbollah, übersetzt: Partei Gottes, fällt ihr ein. Raunend rollt der Stift da über das Tageblatt. Seit wann hat Gott eine Partei? Unruhe herrscht im Buchstabenwald. Vor den Toren des Libanon harrt der Bürgerkrieg und will rein. Die Buchstaben laufen unter das Laub. Die Lektorin ändert Textstellen mit Allah und der Welt. Ein Kühlschrank, genannt „Klingeln der Ohren“wächst in Blankas Hörorgan und sie gerät mit der Küche aneinander. Der Nymphensittich schweigt! Da platzt die Bombe abermals im Zedernstaat –dreitausend Kilometer von Blanka entfernt. Zahllose Herzen bewegen sich im Weckertempo. Im Dorf des Vaters nur noch Schützen auf der Straße! Alle Antworten klettern den Baum hoch! Nach einer Weile probiert es Blanka mit Fragen. Sie muss Pablo Nerudas Preguntas verstehen lernen. Ja, noch mehr Fragen braucht sie. No.1. „Es verdad que en el hormiguero los sueños son obligatorios?“ Ist es wahr, dass im Inneren eines Ameisenhügels die Traumpflicht besteht? (so Blanka) Später geht sie mit der Frage spazieren, in einen kleinen Laden Tempel voller Gewürze und Dunkelheit. Dort geht die Lampe an, die smaragdgrüne Wortlampe und Traumlampe. Alle Buchstaben kommen zurück und kriegen Ameisenbeine zum Bau eines neuen Hügels für Blanka. Für die Nacht!

Freitag, 3. August 2012

Lexikopter, Sporadenfaden – rhodische Aufsammlungen 1

Blanka Beiruts TAGEBUCHSTABEN – rhodische aufsammlungen - in Kooperation mit dem Verband der Schriftsteller VS - alle drei Tage im August 2012 - KUNSTUNDKULTUR - Kulturpolitische Zeitschrift
Treten Sie näher! 

Sonntag, 29. Juli 2012

Magenknurren des Himmels, Sommerpausen


Ich muss auflegen.
Diese endlose Aufzählung von monotonen Klängen
raubt mir das Genick.

Wienke Treblin

Was ist dem Sommer bloß über die Leber gelaufen? Hatte man ihn bedrängt? Leberschädigung? Wechseljahre? Er kotzt und kotzt. Und hat Hitzewellen. Blanka Beirut versucht ihm aus dem Weg zu gehen und landet dabei hinter dem Bildschirm. Später knurrt dem Himmel der Magen in regelmäßigem Fortepiano. Und ein Gewitter schaltet die Geräte ab, zählt dann auf, wer der Herr im Himmelhause ist. Wer? Bahnhof? Kampfjets, Geld, Leibesübungen? Ihre Nase bleibt im Geräusch stecken vor Schreck. Kein Wunder, denn seit hunterten von Tagen wird sie von einem kurzen Wort verfolgt. Bis in ein rosa Frauentaxi in Beirut hinein wuchert das Wort, das aus Syrien herrschsüchtig eingefallen ist, und nun Krieg führt. Dort und anderswo. Damit jeder es hört. Schließlich war man anderswo zu nah am Frieden gewesen. Man weiß nie, ob das gut geht. Und ob Frieden die Lösung ist. Irgendein Herr im Hause will immer wieder vom Frieden weg, plappert der Nymphensittich kindisch. Derweil wartet die Welt am olympischen Ofen tatenlos auf das bevorstehende Blutbad in der Heimatstadt von Blankas Tante. Beider Seiten Wahnsinn rüstet auf und der Friendensherr der Welt sorgt sich, die wenigen Haare raufend. Und wieder erklingt das Wort, ohne verstanden zu werden. Blanka Beiruts Genick, wie das vieler anderer, geraubt. Deshalb beginnt sie die Zeit zu messen, die sie zum Aufschreiben eines ganz gewöhnliche Satzes mit Nebensatz braucht. Ohne das Wort. Aus der Handtasche kommt fürchterliches Geschrei. Der Nymphensittich fliegt zur Meise auf, über den Balkon. Vom Unfug Schätzling Silbenquadrat weg. In die Sommerpause hinein. Nun drückt Blanka Beirut den Himmel endlich aus der Leitung.

Montag, 23. Juli 2012

Wortgeschöpfe, Schweine weinen


es gibt diese Nachtfalter, welche die Tränen der Menschen trinken, sage ich zu Ely, Beweinung / Bewaldung der Seele
Friederike Mayröcker


Das Leben geht im Schreibtempo weiter, merkt Blanka Beirut an diesem unerwarteten Winken der Hitzen. Allerdings haben die Nachtfalter keine Freizeit mehr. Weil Schweine nicht weinen! Sondern nur schwitzen und töten. Und die anderen zum Weinen bringen. Der Nymphensittich eilt deshalb nach Syrien und überall hin, um den Nachtfaltern beim Trinken zu helfen. Vorwärts und rückwärts und gleichzeitig und arabisch mondig, bitte sehr! Kein Wunder dass er überfordert ist und rülpst, dickbauchig, ad dominum, bismillah... Blanka Beirut kann dem Nymphensittich nicht helfen, denn auch in ihren Schriften ist Sturm. Meereswellen von Scheitel bis Sohle. Und dann wird auch noch ein fettes Wolkenschiff vom bunten Hochhaus in Ehrenfeld verletzt. Zerfasert in Liniengespinste und Partituren. Blanka singt vom Blattabgrund mit dem Radio: ad abyssos anima eorum in malis tabecebat. Doch schaltet sie es endgültig ab. Was soll sie denn noch alles hören? Aber nirgends ist Blanka vor gesprochenen Worten sicher. Selbst im Badezimmer dröhnen sie die Rohre hoch. Unter ihrem Schreibtisch steht die Weide. Sie hat die Stimme des gestreiften Nachbars, der mit den Katzen spricht. Der Balkon unterhält sich linkisch über Calamares. In den Beinen Gehirn. Ich esse keine intelligenten Beine mehr, sagt Blanka zu sich selbst. Muss es nicht Tentakeln heißen? Jetzt aber Schluss. Sich kümmern muss sie. Um verfolgte Wortgeschöpfe wie Frieden. Die letzten Exemplare schreibt sie in den kühlen Handtaschenwald.

Sonntag, 8. Juli 2012

Worlding 2 / Regenlametta


Als Moslem stellst du dieser Tage ein Sicherheitsrisiko dar!“

Fatih Çevikkollu



Blanka Beirut ist keine Muslimin, aber weiß man's denn? Wo doch das Wort „Allah“ sich ungehindert Zutritt zu ihren Buchstabenräumen verschafft hat. Also doch Muslimin? Zielscheibe Blanka antwortet nicht und betrachtet die Wolken und Wörter der Woche. Sie fragt sich ob ihre Tagebuchstaben auch als eine Akte zu bezeichnen sind. Blaue Akte mit Allah. „Auf Grund eines Merkmals zusammengefügte Aufzeichungen ...“ Aber hallo! Auf der weltgrünen Documenta verliert sie genau diese Akte mit Allah irgendwo im Weltgrün. Nicht mal der Flattergeselle Nymphensittich findet sie wieder! Ein – und schon denkt Blanka das zweite Wort der Woche, -Skandal! „… ein Aufsehen erregendes Ärgernis.“ Ja, genau das. Aufsehen erregt es bei Blanka und dem Nymphensittich, der die ganze Karlsaue nach der blauen Dokumentaakte der Blanka Beirut absucht. Vergeblich. Unterdessen werden in ganz Deutschland in einer überwältigenden Multimedia-Performance die Fußbälle sehr langsam von den Augen genommen und die Wörter der Woche verkleidet und hastig in eine deutsche Verharmlosungsgleichung gesteckt. Akte +Verschwinden=Skandal.
Na, na, na! Nicht frech werden, Blanka!
Doch so vergeblich wie die Suche nach der Akte in der Aue ist der Versuch der Errechnung der Summe der Verfassungsschutzgleichung. Braune Akte + Verschwinden = x. Blanka eröffnet im Zeitmobil Kunst eine Wort-Fundbüro-Sammelstelle mit Rechenmaschine. Welches Wort passt?
Skandal wird ausrangiert. Blanka probiert: x = Morde, Verleumdung, Stigmatisierung, Freibrief, Verbrechen, Katastrophe, Fragen, Staphylokokken usw. Die realistische Summe Wort für verfassungschützliches Verkommen entkommt! Geklöppeltes Kompositum gähnt ekelerregend ins Zeitmobil. Und Blankas Akte? Geschreddert vom Wetter? Regenlametta fällt zu Boden und glänzt dort immer immer weiter.

Montag, 2. Juli 2012

weltgrüne Documenta / worlding 1

durch einen Gang, wo gerüche sich wichtig machen, und luft anhalten und am bücherstand die protokolle der weisen von zion. und der arrak liegt immer noch auf der zunge, und wieder erinnern: der kommt aus dem libanon, beirut, bagdads schwesterstadt
Johannes CS Frank

Der silberne Junihimmel kommt immer weiter herunter und drückt Blanka Beirut auf den Kopf. Und dass, obwohl sie im Zug sitzt. Mit Klimaanlage. Liegt es etwa an dem Geruch von Arrak und Toilette mit Zigarette, den der Sitznachbar freimütig verströmt? Nein, durch die gläserne Trennwand Fenster drückt die Kuppel auf Blankas Fontanellenstellen, wie die Weissagung einer Kassandra. Und siehe da:
You heard what happend in Tunesia? 2 tomato sellers burned, schreibt Anna Boghigian, die Nomadin Künstlerin aus Kairo dort hinein, und noch anderes in Rot und Schwarz, mit Feder und Pinsel und Samtohr, Stunden später, als Blanka zwischen grünen Hügeln ihre Heimatstadt Kassel erreicht.
Doch was ist aus dieser geworden? Auf der Oberfläche schreitet die nordhessische Blanka Beirut nun mit dem Zeitmobil Kunst an den Füßen nicht nur durch Beirut, Bagdad, Tunis und Kabul. Den Geschmack von Verbranntem und von hellem Müßiggang auf der Zunge. Hier steigt alles aus den Gräbern: weiße Schatten, rote Tomatenverkäufer, schwarze Prinzessinnen. Und immer tragen sie die Hauben der Hoffnung. Ganz aus Buchstaben gefertigt und gegenwärtigem Licht. Kassel erzittert ein zweites Mal und baut sich wieder auf.
Blanka schwappt deshalb kühl wie die Welle im gleichförmigen Rhythmus hin und her, wandert endlos im Nirgendwo der Karlsaue, an deren Rand worlding Mangoldfähren bereit stehen, um zwischen Ort und Örtern zu verbinden. Blanka steigt auf und findet ihren verlorenen Vogel. Weltgrün träumend, der Nymphensittich.