blanka beirut: gedanken,ideen, wortgestecke und satzbrechungen zum tage aus libanesisch deutscher schriftstellerinnensicht

Montag, 23. Juli 2012

Wortgeschöpfe, Schweine weinen


es gibt diese Nachtfalter, welche die Tränen der Menschen trinken, sage ich zu Ely, Beweinung / Bewaldung der Seele
Friederike Mayröcker


Das Leben geht im Schreibtempo weiter, merkt Blanka Beirut an diesem unerwarteten Winken der Hitzen. Allerdings haben die Nachtfalter keine Freizeit mehr. Weil Schweine nicht weinen! Sondern nur schwitzen und töten. Und die anderen zum Weinen bringen. Der Nymphensittich eilt deshalb nach Syrien und überall hin, um den Nachtfaltern beim Trinken zu helfen. Vorwärts und rückwärts und gleichzeitig und arabisch mondig, bitte sehr! Kein Wunder dass er überfordert ist und rülpst, dickbauchig, ad dominum, bismillah... Blanka Beirut kann dem Nymphensittich nicht helfen, denn auch in ihren Schriften ist Sturm. Meereswellen von Scheitel bis Sohle. Und dann wird auch noch ein fettes Wolkenschiff vom bunten Hochhaus in Ehrenfeld verletzt. Zerfasert in Liniengespinste und Partituren. Blanka singt vom Blattabgrund mit dem Radio: ad abyssos anima eorum in malis tabecebat. Doch schaltet sie es endgültig ab. Was soll sie denn noch alles hören? Aber nirgends ist Blanka vor gesprochenen Worten sicher. Selbst im Badezimmer dröhnen sie die Rohre hoch. Unter ihrem Schreibtisch steht die Weide. Sie hat die Stimme des gestreiften Nachbars, der mit den Katzen spricht. Der Balkon unterhält sich linkisch über Calamares. In den Beinen Gehirn. Ich esse keine intelligenten Beine mehr, sagt Blanka zu sich selbst. Muss es nicht Tentakeln heißen? Jetzt aber Schluss. Sich kümmern muss sie. Um verfolgte Wortgeschöpfe wie Frieden. Die letzten Exemplare schreibt sie in den kühlen Handtaschenwald.

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