Dann guckten wir lange in die Sonne, dann guckten wir in unsere Augen – goldene Augen. Dann guckten wir auf die Bäume, dann guckten wir in unsere Augen- grüne Augen. Dann guckten wir auf die Erde. Ali sagte: „Fang an!“
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Emine Sevgi Özdamar – Das Leben ist eine Karawanserei
Immer der Nase nach. Über die Galata Köprüsü. Mokkageruch zeigt den Weg zum ägyptischen Basar. Sollte so sein. Aber Blanka Beiruts Nase findet sich gar nicht zurecht, angesichts der olfaktorischen Übergriffe auf der Brücke. Und die war ihr ganz anders versprochen worden! Zufriedene Angler, malerische Möwen, sentimentale Musikspieler, sanfter Fischgeruch, melancholische Katzen, schwarze Frauenaugen von singender Meerenge. Vor lauter Katzenpippifisch und anderem Müllgestank, die wie in eine Wohnung in Blankas Nase einziehen, sieht sie gar nichts. Blanka, dann musst du gucken! meckert der Nymphensittich, nicht riechen! Also schaut Blanka sich und den Wassern lang angestrengt in die Augen. Graue Augen. Dann schaut sie in den Himmel: Graue Augen, dann schaut sie auf die Brücke, Schneematschaugen. Ali sagte: „Fang an!“ Und der Bazar fängt an. Hinter der Brücke.
Kümin, Kärri und Biber kauft sie ein. Überraschung: libanesische Töne am Stand. Da kommt Heimatparfüm auf!
Den Nymphensittich ziehen Knautschgummischreie in den Rosenhauspark. Riesenvögel in Platanen vor riesigen Nestern. Und ein Halsbandsittich. Blanka will das nicht glauben und macht sich an den Aufstieg hinterher. Aber tatsächlich: giftgrünes Federvieh schnäbelt mit ihrem eigenen. Als ob sie in Köln wären! Den Nymphensittich kriegen keine zehn Blankas mehr hier weg!
Auf dem Heimweg, ohne Vogel und wieder durch Istanbul, zählt Blanka die Brückenberufe. Angler, Wieger, Zigarettendreher, Fischverkäufer. Alle männlich. Aber die Sonne kommt, günesch-echt. Blanka guckt dem Bosporus in die Augen. Dann guckt sie sich in die Augen: grüne Augen.
blanka beirut: gedanken,ideen, wortgestecke und satzbrechungen zum tage aus libanesisch deutscher schriftstellerinnensicht
Samstag, 4. Februar 2012
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