Die Seele kommt aus der Kehle
(türkisches Sprichwort)
Leises fremdes Vogelweinen in Blanka Beiruts Morgenwohnung. Nervös flattert der Nymphensittich deshalb hin und her, doch es ist ja nur die Seele der Thermoskanne, die gerade zum Wörterhimmel aufsteigt. Mit kleinen Möwenglissandi. Irritierende Klangkonzerte auch im Hausflur. Was wie Baulärm anmutet, ist das Gepolter der Putzfrau. Auf der Straße Blechperkussion ordnender Altwarenhändler und hochpotenzierte Gebetsrufe. Und ein röhrenförmig gesungener Vokal zwischen o und u zerschneidet den Tag in gleichmäßige Stücke.
Später Schritteregen auf den Treppen: Blanka Beirut bekommt Besuch.
Doch vorher müssen die Buchstaben noch Flügelkleidchen kriegen und in die Texte hineinfliegen. Das machen sie aber nicht von selbst, erst als Blanka Beirut ihnen den nahenden Texttod ankündigt, treibt es sie hinein, dahin wo sie fortan im Ensemble singen.
Der Besuch will auf die Wasser der Welten. Also führt Blanka Beirut ihn auf ein Vapurenboot, das von Möwen und einer Quallenkarawane verfolgt wird. Der Besuch füttert die Vögel, deshalb kreschendiert deren Geschrei in ein prestissimo con fouco. Mühelos pickt einer der Sturmvögel außerdem den rosinendicken Popel auf, den ein alter Mann mit mittelgroßer Nase soeben aus derselben gefischt hat. Deshalb muss Blankas Blick weg von Flatterviechern und Besuch und Nasen und treibt zum Horizont, wo dicke Dampfer stumm und allmählich die Lichtdeckchen des Maramameeres bügeln. Dieser visuelle Schlager öffnet Blanka Beiruts Herzschrank, legt die Deckchen dort aus, und prompt findet der Nymphensittich darauf auch noch seinen Nachmittagsschlaf.
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