blanka beirut: gedanken,ideen, wortgestecke und satzbrechungen zum tage aus libanesisch deutscher schriftstellerinnensicht

Sonntag, 3. Mai 2009

Toilettensprossen und Gummiherz

Der Mai hat sich abgekühlt. Die deutschen Feuer sind gelöscht. Schnell vor dem nächsten noch in den Zug steigen und den ganzen Frühlingsduft über den Brandgeruch tünchen. Blanka geht auf die Zugtoilette und stellt eine merkwürdige Frequenz von Schamhaaren fest. Wie ist das zu verstehen? Während sie noch darüber sinniert, dass sie aus der Toilettenkante sprießen, eilen Strommasten an ihr vorüber, wie prachtvolle Vogelscheuchen, tänzerische ihre sechs Arme in alle Richtungen schwenken.
Der Stift heißt Blanka immer willkommen, heute scheucht, nach dem Mastenvorbild über die Schienen des Papiers. Die Unterweite ihres Mitreisenden behindert ihn am Bequemen Sitzen und zum Trost schiebt er sich alle Nase lang ein Stück Schokolade in den Mund. Was vor allem den Nymphensittich nervös macht, dessen Schnabel weit geöffnet ist. Doch der Untergeweitete denkt ja gar nicht dran, eher an die ausgezogene Frau in seinen Gedanken, die die neben den Straßenschlachten liegt. Pfui, Blanka, keine Unterstellungen, bitte. Da klappert der Nymphensittich so laut mit dem Schnabel, dass Blanka ihn beruhigen muss. Fest zwischen Daumen und Zeigefinger hält sie das pickende Stück. Der Mann, ein Buchautor, wie sich herausstellt, beginnt Blanka nun unaufgefordert zu erklären, wie Engel entstanden sind, und da hört sie das Schreien des hingerichteten minderjährigen iranischen Mädchens. Das Herz des Nymphensittichs ragt aus der Handtasche wie eine grüne Kaugummiblase.

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